So wird ein Haushalt aufgelöst
Wenn die Eltern in ein Pflegeheim gehen, sollten Mobiliar und Erinnerungsstücke gesichtet werden. Profis helfen
„Jetzt noch nicht, vielleicht in 20 Jahren.“ Das sei die Standardantwort seiner 93-jährigen Mutter gewesen, wenn es um den längst fälligen Umzug in ein Alten- und Pflegeheim ging, sagt Karl König. „Dabei konnte sie sich schon seit längerer Zeit nicht mehr gut allein versorgen, vergaß sogar manchmal, den Herd auszumachen.“ Nun sitzt der 71-Jährige in der ehemaligen Elternwohnung zwischen alten Teddybären, Gläsern, Handtaschen, Nippes und Fotoalben. In zwei Tagen soll eine Firma für Wohnungsauflösungen kommen und die Zimmer räumen, in denen seine Mutter seit 1950 gelebt hat.
Für viele Angehörige stellt die Auflösung des Haushalts ihrer pflegebedürftigen Eltern eine große seelische Belastung dar. „Oft wird von den Pflegebedürftigen selbst viel zu spät mit der Entrümpelung begonnen, die Kinder wohnen weit weg, und wenn ein Umzug plötzlich nötig wird, weiß keiner, wo ihm der Kopf steht“, sagt Aufräumcoach Katharina Auerswald. „Viele hochbetagte Menschen klammern sich an lieb gewonnene Gegenstände, nach dem Motto: So lange ich noch mit meinen gewohnten Sachen in meiner alten Wohnung sitze, ist alles gut.“
Bei ihren Entrümpelungs-Kursen, die sie in Süddeutschland anbietet, sehe sie jedoch, wie wichtig es sei, rechtzeitig die eigenen Besitztümer zu ordnen. „Es ist hilfreich, sich zu fragen: Finden die Angehörigen sich im Falle meiner Abwesenheit in meinen Unterlagen zurecht?“, sagt Auerswald. Ihr Tipp: „Hinter jedem zu Ende gehenden Lebensabschnitt das Überflüssige aus der vergangenen Zeit entsorgen.“ Oft sind mit dem Entrümpeln auch innerfamiliäre Konflikte verbunden. „Vordergründig geht es um die Entsorgung der Saftpresse, aber eigentlich werden Beziehungsmuster und Kindheitsverletzungen durchkämpft“, weiß Auerswald. Vorwürfe zwischen Geschwistern oder Eltern und Kindern wie: „Warum soll ich alles machen, immer bin ich der Depp“ oder „Immer hast du alles bekommen“ könnten jedoch auch als Basis für notwendige Aussprachen dienen.
Die 88-jährige Hildegard Hechelmann hat außer ihrer Kleidung nur ihren Rollstuhl, Familienbilder und ihren elektrischen Sessel mitgenommen, als sie vor neun Monaten aus ihrem 110 Quadratmeter großen Haus in ein Alten- und Pflegeheim umziehen musste. Dort bewohnt sie nun ein helles Zweibett-Zimmer. „Ich habe viele meiner persönlichen Dinge an Familienmitglieder weitergegeben“, sagt sie. „Dass die Sachen weiterverwendet werden, hat mir geholfen, mich von meinem Besitz zu trennen.“
„Häufig entsteht ein Konflikt, wenn Angehörige sich nicht rechtzeitig darüber klar werden, welche Dinge sie behalten möchten und welche nicht“, sagt Hajo Prenzel, Einrichtungsleiter des Diakonie-Möbeldienstes. Angehörige müssten stets im Hinterkopf behalten, dass Dienstleister für Wohnungsauflösungen den Möbeln und dem Hausrat der geliebten Angehörigen nüchtern begegneten. „Für uns zählt nur der Nutz- und Zeitwert, nicht der ideelle Wert“, sagt Prenzel.
Auch in Hamburg gibt es diverse Anbieter, die sich auf die professionelle Haushaltsauflösung spezialisiert haben. So beispielsweise die Alsterschlepper oder die SeSera Senioren Service Agentur. Beide werben damit, dass sie nicht nur dabei helfen, den Hausstand zu entrümpeln. Sie verfügen auch über ein gut ausgebautes Netzwerk zu Sozialkaufhäusern und Diakonien, sodass Brauchbares wieder in gute Hände gelangt und viele Gegenstände sogar noch zu einem adäquaten Preis veräußert werden können.
Dabei umfasst der Leistungskatalog auf Wunsch auch die Übergabe von Wohnung oder Haus an den Vermieter sowie die vertragsgerechte Herrichtung der Immobilie bis hin zur Vermittlung eines Maklers, falls ein Verkauf angedacht ist. Christian Requard, Geschäftsführer von Alsterschlepper, empfiehlt Betroffenen, sich so früh wie möglich professionelle Hilfe zu holen. „Viele Angehörige überschätzen sich, denken, sie könnten vieles selbst in die Hand nehmen, um dann die schmerzliche Erfahrung zu machen, dass Dritte abwertend den mit viel Aufwand transportierten Besitz der Eltern oder Angehörigen begutachten.“ Eine solche Erfahrung könne man sich ersparen. „Wir kommen in die Wohnung und erkennen recht schnell, was durch wen am besten wiederverwertet werden kann und lassen unser Netzwerk zum Zuge kommen.“
Die Kosten für einen solchen Service werden nach Aufwand berechnet, wie Requard erläutert. „Handelt es sich um eine Wohnung im Erdgeschoss mit überschaubarem Inventar, können wir innerhalb eines Tages die Wohnung für einen dreistelligen Betrag räumen.“ Anders sehe es aus, wenn sich die Wohnung im Obergeschoss befände, stark verschmutzt sei und zudem noch viele Schränke und Einbauten rückgebaut werden müssten. „Dann muss man einschließlich aller damit zusammenhängenden Kosten mit Beträgen bis zu 1500 Euro rechnen“, sagt Requard, der sich selbst als „Rundum-Manager“ sieht.
Karl König hat sich verschiedene Angebote eingeholt. Die Preise für die besenreine Entrümpelung lagen zwischen 1500 und 2500 Euro. Um vorher die privaten Dinge auszusortieren, reiste er eine Woche früher aus der Heimat an: Alte Kleidung lieferte er ans Rote Kreuz, Hausrat und Geschirr wurden an Bekannte und Nachbarn der Mutter weitergeben. Kücheneinrichtung und Couch fanden vorab Interessenten. „Das Geschirr ist bei einer Freundin; wenn sie dort zu Besuch ist, sieht meine Mutter es wieder“, sagt König.
Er erinnert sich noch gut an die Entsorgung des Klappbetts seiner Mutter: „Ach, das frisst kein Heu“, hatte sie stets gesagt. Seit einigen Monaten lebt sie nun im Alten- und Pflegeheim. „Die Gesellschaft ihrer Zimmernachbarin und die Pflege tun ihr gut“, sagt König. „Seitdem sie dort lebt, hat sie die alte Wohnung nicht mehr erwähnt.“